Was jeder Elternteil wissen sollte, wenn er ein Kind mit ADHS hat

Kinder mit ADHS sind „anders“. Gerade in der Schule kommen diese schnell an ihre Grenzen: Ihnen fällt es schwer zu funktionieren wie ein Rädchen im Getriebe. So viel ist klar: Hinter der Diagnose ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) verbirgt sich Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Gleichwohl und trotz Fortschritten in der Neurowissenschaft bleibt die Diagnose und Behandlung von ADHS schwierig. Der Mangel an spezifischen Kriterien erschwert den Umgang mit dieser Störung. Dieser Artikel untersucht traditionelle und alternative Methoden und zeigt, wie Eltern ihre Kinder mit ADHS unterstützen können.

Welche Symptome wir bis heute kennen und behandeln

In den letzten Jahrzehnten hat die Neurowissenschaft große Fortschritte gemacht. Wir verstehen Neuroplastizität, Spiegelneuronen und Neurotransmitter besser und können Gehirngewebe bis ins kleinste Detail analysieren. Dadurch können wir Emotionen und Gedanken bestimmten Bereichen des Neocortex (Graue Substanz der Großhirnrinde) zuordnen und einige neurologische und psychiatrische Dysbalancen besser verstehen und behandeln.

Trotzdem bleiben grundlegende Aspekte der Gehirnentwicklung unklar. Unsere Gehirnstrukturen verändern sich über Generationen, was zur „Neurodiversität“ führt – als Oberbegriff für das neue Gehirn. Doch ethische und praktische Herausforderungen in der Forschung am lebenden Gehirn sowie die Grenzen von Tierversuchen und Modellen erschweren präzise Diagnosen und nebenwirkungsarme Behandlungen.

Zu den Diagnosen des neuen Gehirns zählt eben auch ADHS oder neudeutsch ausgedrückt das „Zappelphilipp“-Syndrom. Diese Störung umfasst eine Vielzahl von Merkmalen, die den Umgang mit Betroffenen erschweren: zappelig, unkonzentriert, chaotisch, abwesend, verträumt, unkontrolliert und mehr. Im Lernkontext und damit für den Schulalltag komm erschwerend hinzu: die Störung des Sozialverhaltens, die Konzentrationsschwäche und damit verbunden die Lernstörung.

Als Komorbiditäten (gleichzeitig auftretende Dysbalancen im System) werden zudem häufig folgende Symptome genannt:

  • Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Autismus-Spektrum-Störungen
  • Borderline und bipolare Auffälligkeiten
  • Depression und
  • Suchterkrankungen

Wir wissen einige Dinge über die Gehirnstruktur von Kindern mit ADHS. Der Frontallappen, der für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Selbstregulation zuständig ist, weist bei ihnen Abweichungen in der Form auf. Im Frontallappen werden die vielen Reize, die ständig auf uns einströmen, gefiltert, geordnet, ausgewertet und entweder gelöscht oder an andere Gehirnzentren weitergeleitet. Dabei helfen die Botenstoffe Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und GABA.

  • Serotonin ist wichtig für Lernen und Konzentration. Durch es sind wir zufrieden, ruhig und gelassen. Es nimmt unsere Angst und motiviert uns, reduziert unsere Gelüste, hilft uns zu schlafen und wirkt antidepressiv.
  • Dopamin und Noradrenalin sind für eine erhöhte Aufmerksamkeit, ein angepasstes Verhalten und Affektkontrolle zuständig. Sie unterstützen einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus und lassen uns feinmotorisch entfalten.
  • GABA ist der wichtigste Neurotransmitter im Gehirn. Er hindert die Synapsen an einer zu schnellen Reizweiterleitung, lässt uns Angst verlieren, entspannt unseren Muskeltonus und wirkt somit Krämpfen entgegen, hemmt die Produktion von Stresshormonen und reguliert Zwangsverhalten oder Heißhungerattacken.

Bei ADHS ist die Aktivität der vier Neurotransmitter im Frontallappen gehemmt. Laut neuen PET-Untersuchungen liegt dies an einer geringen Blutzufuhr und ungenauen Informationsverteilung in unbekannte Hirnbereiche.

Kinder mit ADHS-Symptomen wie Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität und Impulsivität haben oft Schwierigkeiten, sich in ihr Umfeld zu integrieren. Die Unterstützung umfasst daher in der Regel Verhaltenstherapie für das Kind, begleitende Familienberatung und medikamentöse Behandlung.

Das häufigste Medikament ist Ritalin, dessen Wirkstoff Methylphenidat ein Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine ist. Methylphenidat blockiert die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin in den Nervenzellen, wodurch diese Botenstoffe länger an den Rezeptoren im Frontallappen wirken und Konzentrationsfähigkeit, Motivation und Gelassenheit verbessern.

Trotz seiner unterstützenden Wirkung hat Ritalin jedoch Nebenwirkungen wie Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, Angstzustände, Schlafstörungen (Albträume oder Apnoe), Wahnvorstellungen und Aggressivität. Zudem missbrauchen manche Menschen Methylphenidat als „Gehirndoping“ ohne Fachwissen oder eindeutige Diagnose.

 

Wie ich als Elternteil mein Kind unterstützen kann

ADHS kann jeden von uns betreffen und hat zahlreiche Ursachen:

  • Umweltgifte, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Stress verursachen Unregelmäßigkeiten in der Neurotransmitter-Produktion.
  • Alkohol- und Drogenkonsum während der Schwangerschaft sowie Sauerstoffmangel bei der Geburt können das Wachstum und die Funktion unseres Gehirns beeinträchtigen.
  • Unser Umfeld, in dem wir aufwachsen kann ebenfalls ursächlich sein. Sind unsere Eltern in ihrer Mitte oder gestresst, streiten sie viel, geben sie uns das Gefühl, geliebt zu sein, sorgen sie für genügend Raum, um uns frei entfalten zu können? Welchen Umgang haben wir mit Medien, wie bewegen und ernähren wir uns, herrscht eine ruhige Atmosphäre, und gibt es allgemein ein strukturiertes Miteinander, das uns wachsen und gedeihen lässt?
  • Und schließlich: der X-Faktor. Der Faktor, der für die Evolution unseres Gehirns und seiner Neurodiversität maßgeblich ist. Der Faktor, der neue Denkstrukturen hervorbringt, die möglicherweise noch nicht vollständig von unserer Welt genutzt werden können.

Diese vier Aspekte machen Kinder mit ADHS in unserer heutigen Zeit zu den unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Wesen mit sozialen Schwierigkeiten und Konzentrationsproblemen. Im Hinblick auf die Schule gehen wir davon aus, dass jedem Kind alles beigebracht werden muss. Daher setzen unser Schulsystem und die zuweilen die Erziehung auf Bewertung, Belohnung und Bestrafung. Das Kind soll ein wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft sein wollen. Diesen Kindern würden wir enorm helfen, wenn wir unsere Sichtweise verändern. Wenn wir in der Tiefe verstehen, dass man den beschrieben „neuen Gehirnstrukturen“ gerecht werden muss. Dass wir begreifen, dass jeder Mensch einzigartig ist und eben ADHS heute kein Defizit, sondern ein Potenzial für neues Denken und Handeln in einer sich verändernden Welt ist.

Was wären die ersten Schritte für Eltern, damit es ihren Kindern besser geht?

  1. Belohne dein Kind mit positivem Feedback. Lob sorgt für die Produktion des Botenstoffes Dopamin und kann das Selbstwertgefühl stärken. Dies gibt dem Kind Anreize, sich im positiven Sozialverhalten weiterzuentwickeln.
  2. Schaffe Struktur, klare Regeln und Routinen im Alltag deines Kindes. Dies schafft Vorhersehbarkeit und hilft deinem Kind dabei, sich besser zu organisieren und intrinsisch zu motivieren.
  3. Achte auf eine gesunde Ernährung deines Kindes. Kinder mit ADHS reagieren empfindlich auf Zucker und bestimmte Lebensmittelzusätze. Der GABA-Spiegel deines Kindes verbessert sich z.B. durch Ätherische Öle und Kräutertees (Baldrian, Kamille oder Lavendel). Auch die entsprechende Ernährung bewirkt Gutes: Vit B6, Mangan und Taurin erhöhen die GABA-Produktion und Verteilung im Körper (wir finden diese zum Beispiel in Wallnüssen, Kohl, Eiern, Thunfisch und Lachs).
  4. Kommuniziere klar mit deinem Kind. Das betrifft zunächst deinen eigenen Zustand im Miteinander. Unterstütze es beim Lernen und den Hausaufgaben, strukturiere die Aufgaben und belohne Fortschritte. Genieße die gemeinsame Zeit und bleibe ruhig, um das Neurotransmitter-Gleichgewicht zu fördern.
  5. Finde Hobbies, die dein Kind motivieren und regelmäßige Bewegung fördern. Sport hilft, überschüssige Energie abzubauen und verbessert die Konzentrationsfähigkeit durch die Regulation von Neurotransmittern (Noradrenalin, Serotonin, Dopamin und GABA).
  6. Achte auf Selbstpflege, um für dein Kind und deinem Umfeld gut aufgestellt zu sein. Es ist wichtig, dass auch du Zeit für dich selbst findest und dich erholst, um die nötige Energie für die Unterstützung deines Kindes zu haben.

 

Fazit

ADHS ist eine komplexe neurologische Dysbalance mit Symptomen wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Die möglichen Begleiterscheinungen erfordern ein umfassendes Verständnis und eine individualisierte Herangehensweise im Umgang mit betroffenen Kindern. Eltern können durch positive Verstärkung, klare Kommunikation, gesunde Ernährung, Struktur im Alltag, Unterstützung bei Hausaufgaben, Förderung von Hobbys und Selbstpflege eine wichtige Rolle im Umgang mit betroffenen Kindern spielen. Es ist entscheidend, ihre Potenziale zu erkennen und sie in einer förderlichen Umgebung zu unterstützen, die ihr Wachstum und ihre Entwicklung positiv beeinflusst.

 

FAQs

  1. Was ist ADHS? ADHS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Es handelt sich um eine neurologische Störung, die sich durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität äußert.
  2. Was sind die Symptome von ADHS? Zu den Symptomen von ADHS gehören Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Es kann auch mit Begleiterscheinungen wie Konzentrationsstörungen, Sozialverhaltensproblemen und Lernschwierigkeiten einhergehen.
  3. Wie wird ADHS diagnostiziert? Die Diagnose von ADHS erfolgt oft durch einen Kinderpsychologen oder Kinderpsychiater. Es werden Verhaltensbeobachtungen, psychologische Tests und Befragungen durchgeführt, um die Symptome zu bewerten und eine Diagnose zu stellen.
  4. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für ADHS? Die Behandlung von ADHS kann eine Kombination aus Verhaltenstherapie, Medikation und Unterstützung sein. Medikamente wie Ritalin werden oft verschrieben, um Symptome zu kontrollieren. Verhaltenstherapie und Unterstützung durch Eltern und Lehrkräfte sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Behandlung.
  5. Welche Rolle spielen Eltern bei der Unterstützung von Kindern mit ADHS? Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Kindern mit ADHS. Sie können durch klare Kommunikation, Struktur im Alltag, positive Verstärkung, gesunde Ernährung, Hilfe bei Hausaufgaben, Förderung von Hobbys und Selbstpflege einen positiven Einfluss auf ihre Kinder ausüben.
  6. Welche langfristigen Auswirkungen kann ADHS haben? Unbehandeltes ADHS kann langfristige Auswirkungen auf die persönliche und berufliche Entwicklung haben. Betroffene können Schwierigkeiten in der Schule, im Arbeitsleben und in sozialen Beziehungen erfahren. Eine angemessene Behandlung und Unterstützung können helfen, diesen Herausforderungen entgegenzuwirken.

Autorin: Julia Hayden

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